Wie viel des anfallenden Abfalls wird in Deutschland recycelt?
Man liest oft, Deutschland sei “Recyclingweltmeister” – wegen unseres Pfandsystems, der mittlerweile 30-jährigen Geschichte des Mülltrennens und den vielen Verpackungen, auf denen “recyclebar” aufgedruckt ist. Gleichzeitig werden immer mehr Stimmen laut, die dem entgegen Vorwürfe des Scheins und der Irreführung aufwerfen.
Die aktuellsten Zahlen zu Abfällen und Recycling in Deutschland liegen für das Jahr 2018 vor. Da sind insgesamt 417 Millionen Tonnen Abfall angefallen. Zieht man den Anteil an Bau- und Industriemüll ab, bleiben pro Kopf jährlich 455kg, also über ein Kilogramm, das jede*r Bürger*in pro Tag an Abfall erzeugt.
Von den über 400 Millionen Tonnen Müll sind rund 19 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle – hauptsächlich Glas-, Kunststoff-, Papier-, Aluminium- Weißblech-, Stahl- und Holzverpackungen. Davon wiederum entstehen 9 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle in Privathaushalten, pro Kopf also ca. 108kg im Jahr.
Die Tendenz des Abfalls, den wir produzieren, ist rasant steigend. Umso wichtiger also, den Abfall möglichst wieder nutzbar zu machen und in einen Kreislauf einzuschleusen, der dann endliche Ressourcen und Energie einspart. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass recycelt wird, sondern auch, dass “gut” recycelt wird, die Endprodukte, Rezyklate genannt, also von guter Qualität sind. Denn davon abhängig ist, wie oft und viel die Rezyklate in der Wirtschaft wiederverwendet werden können.
Man unterscheidet in drei Kategorien des Recycelns: Recycling, Downcycling und Upcycling.
Wird das Rezyklat wieder für den gleichen Zweck verwendet, wie das Produkt vor dem Prozess, handelt es sich um hochwertiges Recyceln.
Häufig ist das aber aufgrund von Unreinheiten in den Abfällen nicht möglich, sodass aus hochwertigem Material niederwertige Rezyklate entstehen, die zwar noch wiederverwendet werden können, aber in einer anderen, nicht so hochwertigen Form und lediglich einmalig.
Zurzeit noch Pionierarbeit aber zukunftweisend ist das Upcycling, bei dem beispielsweise aus Lebensmittelabfällen wie verdorbener Milch Bioplastik für den Einsatz in der Textil- oder Kosmetikindustrie gewonnen wird.
Recycling benötigt zwar in seinem Prozess Energie, aber bei Weitem nicht so viel, wie die Neuproduktion, wodurch CO2-Emissionen eingespart werden können.
So wird beispielsweise für die Neuproduktion von Aluminium pro Kilogramm 11kg CO2 freigesetzt, im Recyclingprozess sind es nur 0,4kg CO2.
In Deutschland wurden 2018 ca. 70% des Verpackungsmülls recycelt – was uns im europäischen Vergleich in das obere Fünftel bringt! Der restliche Abfall wurde größtenteils verbrannt, um daraus Energie zu gewinnen. Führende Länder in Sachen Recycling sind Belgien und die Niederlande mit einer ca. 80-prozentigen Recyclingquote.
Diese Quote spielt jedoch ein besonders gutes Bild nur vor, da sie direkt nach der Abfallsortierung erhoben wird, aber die Müllexporte und was dann mit dem Abfall passiert, sowie Verluste während des Recyclingprozesses, nicht berücksichtigt.
Insgesamt erfüllte Deutschland in dem Jahr zwar die gesetzlich vorgeschriebene Recyclingquote, sowie die Vorgaben der EU-Verpackungsrichtlinie, diese wurden seitdem aber deutlich verschärft.
Tatsächlich gut funktionieren die Recyclingketten von Glas, Papier und Karton. Davon wurden 2018 83% des Glases, 90% des Papiers und 88% des Kartons recycelt.
Das liegt unter anderem daran, dass Deutsche die Altglas- und Altpapiertrennung schon seit vielen Jahren durchziehen und somit das Recycling erleichtern.
Wenn Glas in Grün-, Braun-, und Weißglas getrennt wird, können daraus qualitativ hochwertige Rezyklate gewonnen werden und der Prozess des Einschmelzens und Neuformens beliebig oft durchgeführt werden.
Papierfasern können über 25-mal recycelt werden, wobei bei dem Recyclingprozess nur ca. Die Hälfte der Energie gebraucht wird, die die Neuproduktion brauchen würde. 2018 nutzte die deutsche Papierindustrie bereits 75% Altpapier zur Papierproduktion.
Verunreinigte / vermischte Abfälle sind ein großes Problem beim Recycling.
Bei anderen Verpackungsmaterialien, wie Aluminium und Plastik, stellen sich vor allem die Vermischung von Materialien als problematisch für den Recyclingprozess heraus.
Aluminiumlegierungen, also Aluminium gemischt mit anderen Metallen, können beispielsweise nicht wieder getrennt werden, woraus lediglich niederwertige Rezyklate entstehen, die zur Stabilisierung von anderen Metallen genutzt werden können. Die Wiederverwendung des Aluminiums ist allerdings nicht möglich, weshalb noch immer ca. Die Hälfte des in Deutschland produzierten Aluminiums neuproduziert wird.
Von den über 3 Millionen Tonnen Plastikmüll aus 2018 wurden 53% verbrannt, statt recycelt. Denn, die Neuproduktion von Plastik ist einfacher und günstiger. Plastikverpackungen bestehen außerdem oft aus Kunststoffgemischen, die sich beim Recycling nur schwer trennen lassen. Die Rezyklate entsprechen dann häufig nicht den strengen Belastungs- und Reinlichkeitsregelungen, die für Lebensmittelverpackungen gelten, und werden deshalb nur selten von Produktherstellern genutzt. Deshalb wird auch weniger in die Forschung und Optimierung von Kunststoffrecycling investiert.
Müllexporte: aus den Augen aus dem Sinn?
Ein weiteres großen Problem, das sofortige Veränderung erfordert, ist der unkontrollierte Müllexport in Länder wie Malaysia, Indien oder die Türkei. Weltweit ist Deutschland der drittgrößte Plastikmüllexporteur – hinter den USA und Japan. Recycling in anderen Ländern ist, aufgrund von Menschenrechtsverletzungen und Hungerlöhnen, billiger. Außerdem nehmen die Recyclingfirmen in diesen Ländern auch niederwertigere Abfälle an. Die Abfälle werden nach dem Export allerdings nicht weiterverfolgt, sodass viele davon, die in die Recyclingquote miteinfließen, auf Mülldeponien oder im Meer landen, welches enorm darunter leidet.
Mittlerweile nimmt China bereits keinen Müll mehr an und auch Malaysia hat angekündigt, die Müllimporte deutlich zurückzuschrauben. Damit löst sich das Problem jedoch keineswegs – Deutschland bleibt lediglich auf mehr Abfall sitzen und muss andere Wege finden, ihn loszuwerden.
Sind Bio-Kunststoffe eine sinnvolle Alternative, um Abfall von vorherein zu vermeiden?
Bio-Kunststoffe werden als einer dieser Wege genannt, da sie sich biologisch abbauen ließen und somit keine Entsorgung mehr nötig sei. Dabei ist nicht jeder Bio-Kunststoff auch biologisch abbaubar – einige bestehen lediglich teilweise aus pflanzenbasierten Materialien. Auf vielen anderen Verpackungen steht mittlerweile “biologisch abbaubar”. Das ist jedoch eher eine Form von Greenwashing, als tatsächlich ein Schritt hin zu nachhaltiger Verpackung.
Denn biologisch abbaubares Plastik zersetzt sich nicht automatisch einfach in der Natur, sondern braucht, ähnlich und nicht unbedingt schneller als anderes Plastik, mehrere Monate oder Jahre um sich zu zersetzen.
Bio-Kunststoffe dürfen also weder in der Umwelt, noch im Biomüll entsorgt werden. Somit gehören sie, genauso wie der andere Plastikmüll, in den gelben Sack. Aber selbst da kann Bioplastik aufgrund von chemischen Zusätzen problematisch werden und den Abfall verunreinigen, wodurch er für Recycling unbrauchbar wird.
Die derzeit auf dem Markt erhältlichen Bio-Kunststoffe liefern also keineswegs Vorteile, sondern eher das Gegenteil. Stattdessen gehen so wertvolle Materialien für den Recyclingprozess verloren.
Eine Ausnahme bildet kompostierbares Plastik: Die Kunststoffe können in Kompostieranlagen durch Mikroorganismen in kurzer Zeit zersetzt werden. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass dieses Plastik automatisch in den Biomüll darf – nur Produkte mit dem Keimlingssymbol sind ausdrücklich für den Biomüll zugelassen.
Wie kann das Recyceln gesteigert werden?
Die nachhaltigste Abfallvariante bleibt also Recycling – doch von einer angestrebten Kreislaufwirtschaft kann man in Deutschland noch lange nicht sprechen.
Deshalb muss die Politik Grundlagen schaffen, um Recycling zu verbessern und attraktiver zu machen.
Seit 2019 gilt bereits das neue Verpackungsgesetz, das die Recyclingquoten deutlich höher ansetzt, als zuvor. Seit 2020 muss mindestens 63% des Plastikmülls recycelt werden.
Auch auf europäischer Ebene hat sich bereits etwas getan: Die Recyclingquote nicht wird mehr danach berechnet, was bei Recyclinganlagen ankommt, sondern was herauskommt, also tatsächlich recycelt wird. Außerdem tritt seit diesem Jahr ein neuen Finanzierungsinstrument in der EU in Kraft: Der Anteil des nicht-recycelten Kunststoffabfalls fließt in die Bemessung des Mitgliedsbeitrags der EU-Staaten mit ein. So sollen Staaten dazu gebracht werden, ihre Maßnahmen zur Förderung des Kunststoffrecyclings zu verbessern.
Durch diese politischen Vorgaben sollen Veränderungen in der Industrie hervorgerufen werden. So sollen mehr recyclingfreundliche Produkte hergestellt werden, die beispielsweise nur aus einer hellen oder farblosen Kunststoffsorte bestehen. Denn helles Material kann als Rezyklat später breiter eingesetzt werden. Laut Verpackungsgesetz müssen Hersteller weniger für die Entsorgung ihrer Verpackungen bezahlen, je recyclingfreundlicher diese sind.
Auch die Endverbraucher*innen leisten einen wichtigen Beitrag zu besserem Recycling. Zum einen wählen sie, welche Produkte in welchen Verpackungen sie kaufe. Werden mehr recyclingfreundliche Verpackungen gekauft, ist das Anreiz für die Industrie, mehr davon zu produzieren.
Zum anderen ist die Mülltrennung noch immer eine der wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiches Recycling. Während diese bei Papier und Glas bereits gut funktioniert, landen im Restmüll noch immer ca. 70% Abfälle, die da nicht hingehören.
Aber nur getrennter Müll kann im Endeffekt auch recycelt werden, die Abfälle in der Restmülltonne werden lediglich verbrannt oder deponiert.
Um Recyclingweltmeister zu werden liegt vor Deutschland also noch ein langer Weg, aber die ersten Schritte wurden bereits eingeleitet und jeder kann dazu beitragen, die Abfallentsorgung nachhaltiger werden zu lassen.